Der Mangel an gut ausgebildeten Pflegekräften ist allgegenwärtig. Das Klinikum Gütersloh hat deshalb gemeinsam mit der Bürgerstiftung Gütersloh und der Erich und Katharina Zinkann-Stiftung ein Projekt ins Leben gerufen, das Pflegekräften aus anderen Ländern eine fundierte Ausbildung und eine echte Perspektive in Deutschland bietet. Die Stiftungen unterstützen das Projekt mit insgesamt 216.000 Euro. „Denn wir müssen nachhaltige Lösungen für den Fachkräftebedarf in der Pflege finden“, begründet Katrin Meyer, Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung, deren Engagement.
Birendra Pal Singh gehört zu den ersten Pflegekräften, die über das Projekt ans Klinikum Gütersloh gelangt sind. „Ich bin nach Deutschland gekommen, weil ich mir mehr Anerkennung für meine Arbeit wünsche, ich will mich weiterentwickeln und dafür ist hier der richtige Ort“, sagt er. Birendra Pal Singh stammt aus dem indischen Bundesstaat Rajasthan. Sein Bruder führt eine Apotheke in Indien, er selbst ist ausgebildete Pflegekraft und hat bereits für die Weltgesundheitsorganisation in Indien, Uganda und dem Kongo gearbeitet. Sein Deutsch ist schon ziemlich gut, sein Englisch hervorragend. Aktuell sitzt er gemeinsam mit anderen internationalen Pflegekräften jeden Tag fünf Stunden im Online-Deutschkurs, um neben der Alltagssprache auch das medizinische Fachvokabular zu lernen. An zwei Tagen die Woche ist er in der Schule und an drei Tagen auf einer Station im Krankenhaus.
Das Klinikum Gütersloh bereitet die künftigen Mitarbeitenden über mehrere Monate auf ihre fachliche Kenntnisprüfung vor. Dozentin Lydia Stockmanns ist selbst ausgebildete Pflegekraft und hat mehrere Jahre im Ausland gearbeitet, unter anderem für die Organisation Ärzte ohne Grenzen: „Diese Pflegekräfte sind ein großer Gewinn für das Klinikum, weil sie oft ein sehr gut geschultes Auge für körperliche Veränderungen haben und mit sehr viel Engagement bei der Sache sind“, erklärt sie. In den ersten vier Wochen haben die Teilnehmenden des internationalen Projektes von Lydia Stockmanns und den Kollegen eine intensive Einarbeitung bekommen. Wie funktioniert der Stationsablauf? Wie fährt man die Betten rauf und runter? Was ist wichtig beim Thema Vitalzeichen und Hygiene und wie muss ich das alles dokumentieren? Nach diesem Intensivkurs waren Birendra Pal Singh und seine Kollegen vier Monate lang jeden Nachmittag im Sprachkurs und vormittags auf der Station oder in Praxiskursen. Jetzt folgen acht Monate intensive Vorbereitung auf die sogenannte Kenntnisprüfung. In Online-Modulen und praktischem Unterricht lernen die angehenden Pflegefachkräfte alles Wichtige über hygienisches Arbeiten, Körperpflege, Mobilisation und das deutsche Gesundheitssystem.
Ylberina Imeri-Elezaj ist in diesem Jahr aus dem Kosovo nach Deutschland in das internationale Projekt gekommen. „Die ersten Monate hier waren die bisher besten und anstrengendsten meines Lebens, weil ich so viel Neues erlebt und gelernt habe“, erklärt die 32-Jährige, die in der Hauptstadt Pristina Pflege studiert und anschließend mehrere Jahre Berufserfahrung gesammelt hat. „Aber im Kosovo gibt es kein gut funktionierendes Gesundheitssystem und keine Krankenversicherung. Hier bekomme ich eine ganz andere Anerkennung für meine Arbeit.“ Ihr Mann ist mit ihr nach Deutschland gekommen und arbeitet für eine Kunststoff-Fabrik. Auch ihre beiden Geschwister leben bereits in Deutschland: der Bruder in Bochum und ihre Schwester in Bielefeld. „Wir möchten uns hier eine Zukunft aufbauen.“
Mit 162.000 Euro unterstützt die Bürgerstiftung das Projekt. 54.000 Euro gibt die Erich und Katharina Zinkann-Stiftung. Hinzu kommen staatliche Fördergelder. Mit den Stiftungsgeldern wird unter anderem die Stelle von Benjamin Hans finanziert, der für die Rekrutierung der Pflegekräfte und deren Integration am Klinikum Gütersloh zuständig ist. Ein gutes Sprachniveau und ein Team, das bei der Integration unterstützt, sind wichtige Säulen des Projekts. „Ich kümmere mich darum, dass die neuen Kollegen gut in ihrem Team und in der Stadt ankommen.“ Dazu gehören die Organisation von Wohnungen und Sprachkursen, Hilfe beim Eröffnen eines Kontos oder Behördengängen genauso wie gemeinsame Ausflüge oder eine Stadtführung. „Wir schulen die neuen Fachkräfte, aber auch ihre Teams auf den Stationen und haben zum Beispiel ein Patenprojekt ins Leben gerufen“, erklärt Hans.
Maud Beste, Geschäftsführerin im Klinikum Gütersloh: „Die neuen Kolleginnen und Kollegen kommen nicht nur als Fachkräfte, sondern auch als Menschen zu uns, das muss für beide Seiten funktionieren. Einige der internationalen Pflegekräfte haben Ehepartner, die ebenfalls gefragte Fachleute sind. Auch hier unterstützen Hans und seine Kollegen beim Ankommen in Deutschland.
Die Rekrutierung internationaler Fachkräfte ist nicht der einzige Weg, den das Klinikum für die Gewinnung von Fachkräften geht. Das Klinikum hat die Zahl der Ausbildungsplätze deutlich erhöht, ist verstärkt auf Social Media unterwegs und stellt Pflegekräfte mit guten Einstiegsgehältern an.