Der Gütersloher Kulturmarathon hat neue Rekordmarken gesetzt: Die 22., von der Bürgerstiftung Gütersloh geförderte Langenachtderkunst hat mit 43 Stationen und einem zum Vorjahr deutlichen Mehr an Besuchern gepunktet. Schon vor dem offiziellen Startschuss um 18.30 Uhr mit einer taffen Hip-Hop-Show der Speranza-Dancers vom DJK Blau-Weiß Avenwedde auf dem Berliner Platz kamen die ersten kunstinteressierten Nachtschwärmer, um Neues zu entdecken.
Und davon gab es viel – in jeder Hinsicht. Da gab es Pflasterlyrik, die einem auf der Berliner Straße zu Füßen lag. Da ließen Tangotänzer mit ihren in Farbe getauchten Füße ein Kunstwerk auf dem Dreiecksplatz entstehen. Im Garten des Kultursekretariats wucherten Elemente verschiedener künstlerischer Genres zu einer lebendigen Installation heran. Da ratterten drei kettengetriebene Polyester-Fisch als augenfälliger Walking-Act durch die Nacht. Es gab ein klangvolles „Best of Händel“ vom Bachchor in der Martin-Luther-Kirche und in der Kreismusikschule waren wieder die Tastentiger am Werk, während kraftvolles Klavierspiel das Klangfarbenhaus an der Hohenzollernstraße erbeben ließ.
Einen emotional fotografierten Einblick in die Künstlerateliers dieser Welt genehmigte der Kunstverein – eingerahmt von bunten Collagen. Phänomenales aus der Schatzkiste der Fotografie präsentierte die Sparkassen-Galerie, stadtgeschichtliche Requisiten aus seinem Magazin das Stadtmuseum. Das Alltägliche zum Besonderen machte die Künstler*innengruppe Gützilla in der Apostelkirche. Die Galerie Siedenhans und Simon bot das „Erlebnis Farbe“. „Artvielfalt“ im wahrsten Sinn des Wortes offenbarte die Galerie Serpil Neuhaus. Und wie lebendig Kunst eine Stadt machen kann, zeigte sich nicht zuletzt anhand der mit Malerei und Grafiken bespielten Schaufenster-Leerstände zum Beispiel in der Spiekergasse.
Die Bürgerstiftung hatte in dieser Langenachtderkunst den Versmolder Bildhauer und Maler Klaus Reincke zu Gast. Sein qualitätsvoller „Kanon des Zeitlosen“ – reduzierte, sinnliche Stahl- und Bronzeguss-Skulpturen sowie Malerei und Collagen – kam ausgesprochen gut beim Publikum an. Angeregte Gespräche über Materialität und den Schaffensprozess offenbarten das große Interesse an der Arbeit des Künstlers.
Gleich an vier Stellen spürte die Bürgerbühne als Wandertheater den Begriffen „Musik“, „“Tanz“, „Bilderkunst“ und „Theater“ nach. Während auf der Hinterbühne des Theaters das Doku-Songspiel „Treppe ohne Haus“ von Christian Schäfer über den Maler und Schriftsteller Albert Paris Gütersloh uraufgeführt wurde. Es gab Überraschungsbegegnungen mit Art Attac, die als maskierte Performance-Gruppe vor dem Wasserturm für einen respektvollen Umgang mit Tieren warb. Es gab ruhige Orte wie Marie-Pascale Gräbeners begehbaren „Heiligen Raum“ und Publikumsmagneten wie Art Colori oder den Dreiecksplatz, wo sich bis Mitternacht die Besucher tummelten - reich an Eindrücken und teils erschöpft vom langen Marsch durch eine Nacht voller neuer Impulse.
„Dabei ist die Langenachtderkunst längst nicht mehr nur eine Veranstaltung für erklärte Kunstfreunde“, stellte Lena Jeckel, Fachbereichsleiterin Kultur, noch ganz angetan von anarchischen Flash-Ups bei einem ersten Fazit fest. „Das ist eine Veranstaltung von uns allen für uns alle.“
Foto: Mehr als zufrieden mit der 22. Langenachtderkunst: (v.l.) Andrea Wistuba (Organisatorin, Fachbereich Kultur), Bildhauer und Maler Klaus Reincke, Kulturamtsleiterin Lena Jeckel sowie Michael Loch und Doris Pieper, Vorstandsmitglieder der Bürgerstiftung Gütersloh, die den Kulturmarathon gefördert und mit der eigenen Ausstellung im Haus gepunktet hat.