Der Erfolg spricht für sich: Das auf drei Jahre angelegte, von der Bürgerstiftung Gütersloh mit 380 000 Euro (davon 180 000 Euro aus der Erich und Katharina Zinkann-Stiftung) auf den Weg gebrachte Delir-Pilotprojekt am Sankt Elisabeth Hospital und im Städtischen Klinikum wird von beiden Häusern in die Regelversorgung übernommen. Das steht jetzt schon - zehn Monate vor Ende der Laufzeit – fest. Bislang haben 600 ausgewählte Delir-Patienten und Patientinnen – betreut von interdisziplinären Teams - die speziell entwickelten, individuell angepassten Maßnahmen durchlaufen. Mit dem Ergebnis, dass die gerade bei Älteren und bei Menschen mit Demenz auftretende Verwirrtheit (Delir, lat.: aus der Spur geraten = akute Bewusstseinsstörung) nach einem Unfall oder einer Operation deutlich minimiert wurde. Zudem wurden das Sturzrisiko gesenkt und der Schmerzindex positiv beeinflusst - bei gleichzeitiger Reduzierung der Medikamentenmenge.
Gezielte Maßnahmen zur Reorientierung und Mobilisierung der Betroffenen durch multiprofessionelle Teams, die Vermeidung von Polypharmazie (gleichzeitige Einnahme von mehr als fünf Medikamenten) und die enge Zusammenarbeit mit den Angehörigen haben dazu geführt, die kognitive Leistungsfähigkeit der Patienten und Patientinnen zu erhalten „Das Projekt ist ein Gewinn für alle Seiten - in erster Linie für die Patienten, die sich schneller erholen, für die Angehörigen und für das derzeit aufgrund vieler freier Stellen und Krankheitsfälle stark belastete Personal in den Krankenhäusern“, bringt es Katrin Meyer, Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung, auf den Punkt. Und: Das Delir-Projekt senkt den Kostenapparat der Krankenhäuser.
„Wir haben bislang bei uns mit multiprofessionellen Teams eine Vielzahl an Delir-Patientinnen und Patienten im Bereich Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie unter Leitung von Chefarzt Prof. Dr. Norbert Zoremba erfolgreich betreut“, berichtet die im Sankt Elisabeth Hospital zuständige Projektkoordinatorin Friederike Handke. „Auch im Klinikum Gütersloh sind es viele Betroffene, die wir mit einem Team aus Pflege, Logopädie, Physiotherapie, Pharmazie sowie Ärztinnen und Ärzten so begleiten, dass sie im besten Fall schnell wieder in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren können, listet Katja Plock, Leiterin des dortigen Delir-Projekts auf. Sie wird von der Gesundheits- und Krankenpflegerin Laura Zwick unterstützt. Regelmäßige gemeinsame Besprechungen sorgen dafür, dass die festgezurrten Strukturen und geplanten Prozesse in beiden Häusern greifen, dass Verbesserungsideen zielführend und zügig umgesetzt werden. Die Hausärzte werden über den besonderen Behandlungsplan der Betroffenen im Entlass Brief informiert, so dass deren weitere Betreuung angepasst und optimiert werden kann.
Selbstverständlich findet auch eine wissenschaftliche Begleitung des Projekts statt. Das LWL-Klinikum fungiert als fachlicher Berater. Nadine Lömker, Demenzkoordinatorin am Klinikum Gütersloh, schreibt darüber ihre Bachelorarbeit. Ann-Kathrin Walter, Assistenzärztin am Sankt Elisabeth Hospital, macht es zum Thema ihrer Doktorarbeit. Informationen über das Projekt sind wichtig – und gefragt. „Das Interesse der Kollegen an diesem krankenhausübergreifenden und multiprofessionellen Projekt ist bei Treffen, auf Tagungen und Kongressen groß“, berichtet Prof. Dr. Zoremba. Und auch den Auszubildenden der ZAB (Zentrale Akademie für Berufe im Gesundheitswesen) wurde das innovative Projekt vorgestellt. Das Klinikum Gütersloh wird in diesem Bereich in den kommenden Monaten mehrere Stellen schaffen: „Gerade für Altenpfleger ist der Bereich attraktiv, da hier ein höherer Fokus auf die Aktivierung und Beschäftigung der Patienten gelegt wird, wirbt die dortige stellvertretende Pflegedirektorin Sarah Hensdiek.
Info-Kasten: Wie können Angehörige präventiv helfen?
- Sorgen Sie dafür, dass eine vertraute Person anwesend ist. Das bringt Ruhe und Sicherheit.
- Fördern Sie die Mobilität des Betroffenen.
- Geben Sie Orientierung durch die Mitteilung von Datum, Ort und Zeit.
- Sorgen Sie für einen geregelten Tag-Nacht-Rhythmus.
- Eine mit vertrauten Gegenständen (z. B. Familienbilder) hergerichtete Umgebung und Atmosphäre bringen Wohlbefinden und Sicherheit.
- Spielen Sie die Lieblingsmusik des Betroffenen ab oder schauen Sie gemeinsam vertraute TV-Sendungen.
- Sprechen Sie in ruhigen, kurzen und einfach Sätzen, diskutieren Sie nicht mit dem Patienten.
- Vermeiden Sie eine Überforderung (zu viele Besuche, Lärm), aber auch eine Unterforderung (absolute Stille oder dauerhaft abgedunkelte Räume).
- Fördern Sie die Wahrnehmung des Betroffenen, in dem Sie darauf achten, dass Brille und Hörgeräte verwendet werden.
- Es sollte auf eine gute Schmerzbehandlung geachtet werden.
- Stellen Sie sicher, dass der Patient ausreichend trinkt und isst.
Foto 1: Vom Pilotprojekt zur Regelversorgung. Die Macher des Delir-Projekts – (v.l.) Bernd Mußenbrock (Erich und Katharina Zinkann Stiftung), Katrin Meyer, Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung, Pflegedienstleiter Norbert Junker, Prof. Dr. Norbert Zoremba und Projektkoordinatorin Friederike Handke (alle Sankt Elisabeth Hospital) mit den Kolleginnen vom Städtischen Klinikum: Gesundheits- und Krankenpflegerin Laura Zwick, stellvertretende Pflegedirektorin Sarah Hensdiek, Projektleiterin Katja Plock und Demenzkoordinatorin Nadine Lömker – sowie Dr. Bernd Meißnest vom LWL-Klinikum.
Foto 2: Drei Frauen, zwei Krankenhäuser, eine Idee: Katja Plock (Klinikum), Friederike Handke (Elisabeth Hospital) und Nadine Lömker (Klinikum) mit einer der sogenannten Eli-Boxen, die direkt am Bett des Delir-Patienten befestigt und wichtige Utensilien wie Brille, Hörgerät und Zahnprothese direkt nach einer Untersuchung oder OP dem Patienten wieder ausgehändigt werden.