Die Großen und Mächtigen dieser Erde tagen in Ägypten und versuchen sich bei der 27. UN-Klimakonferenz in Sharm el Sheikh über die praktische Umsetzung des Kohle-, Gas- und Ölausstiegs zu einigen, und wollen alles zu tun, um die Erderwärmung zu stoppen. Was dabei herauskommt, weiß man noch nicht. Dafür ist die Bilanz des ersten Schüler-Klima-Gipfels in Gütersloh eindeutig: Großartig! Die von der Gesamtschule G 3 initiierte und glänzend moderierte, in Kooperation mit der Kommunikationsagentur „Get people“ organisierte und von der Film-AG der Janusz-Korczak-Gesamtschule per Live-Stream gekonnt dokumentierte Veranstaltung zog mehr als 1600 Schüler in die Stadthalle. Womit es die bislang größte Veranstaltung dieser Art in Deutschland war. Gefördert von der Bürgerstiftung Gütersloh, gestalteten die Jugendlichen eine ebenso kurzweilige wie höchst informative, genauso empathische wie abwechslungsreiche und vor allem Mut machende Zukunftskonferenz.
Angestoßen hatte den Gipfel Conny Scherer, didaktische Leiterin des Gesamtschule 3, die zusammen mit ihrer Kollegin Lea Rehberg und Schulsozialarbeiterin Lea Wullengerd prominente Redner und Gäste zu Vortrag und Talk einlud. Kein Geringerer als der weltweit renommierte Meteorologe und Klimaforscher Prof. Dr. Peter Lemke, langjähriger Fahrtenleiter der „Polarstern“, reiste an. Der zigfach, unter anderem mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Forscher berichtete eindrucksvoll von seinen sturmumtosten Expeditionen in die Arktis, wo er das Abschmelzen der Polkappen und andere klimarelevante Veränderungen im Meereis untersucht hat. „Wenn wir so weitermachen, wird es spätestens ab 2050 in den Sommern kein Eis mehr in der Arktis geben, was unsere Erde lebensgefährlich hoch aufwärmen wird“, prognostizierte er. Und mit Blick auf den Weltklimagipfel: „Nur wenn die Länder tatsächlich umsetzen, was sie versprechen und es gelingt, die Erderwärmung auf höchstens 2 Prozent zu drosseln sowie Umwelttechnologien voranzutreiben, gibt es noch eine Chance, die Erde und damit uns alle zu retten.“ Die Hoffnung aufgeben will er angesichts junger Menschen wie den Gütersloher Schülern aber nicht: „Genau solch vehementes Engagement wie hier brauchen wir, damit unser aller Umdenken klappt.“
Selbstbewusst befragten die jungen Moderator*innen Mathilda Godt, Olivia Kronshage, Emilie Sigge und Lennart Wittenstein ihre Gäste – auf der Couch und per Zoom. So entlockten sie per Live-Schaltung der in der Antarktis tätigen Geophysikerin Benita Wagner Wissenswertes über den Alltag im Eis und ihre Landzeitbeobachtungen zu polaren Erdbeben. Sie ließen sich von David Ryfisch (Organisation German Watch) Aktuelles von der Weltklimakonferenz in Ägypten mitteilen, interviewten den namhaften Futuristen und Humanisten Gerd Leonhard zur Balance von Mensch und Technologie und diskutierten mit Michael Kristensen von der Energieakademie der mittlerweile energetisch autarken dänischen Insel Samsö über praktikable Zukunftsmodelle. Und auch Dr. Carolin Müller vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung trug Wesentliches zum Schüler-Klima-Gipfel bei. Sie erforscht den Zusammenhang von Klimawandel und Meeresschutz und kämpft gegen die wachsende Vermüllung der Ozeane. Eindringlich warnte sie: „Für Fridays for future auf die Straße zu gehen, ist gut und wichtig. Aber jeder muss auch bei sich anfangen, etwas zu verändern: Strom sparen, weniger Auto fahren, Plastik vermeiden, weniger einkaufen, um unnötige, energieintensive Produktionsketten zu vermeiden, weniger wegwerfen, lieber recyceln“, lautete ihre Botschaft.
„Jeder hat einen Hebel in der Hand, um etwas gegen den Klimawandel zu tun“, betonte nicht nur Ole Horn, Pressesprecher von „Fridays for future“, sondern auch Eckhard von Hirschhausen. Der prominente Mediziner, Kabarettist, Wissenschaftsautor und Gründer der Stiftung „Gesunde Erde – gesunde Menschen“ zeigte sich als bekennender „Scientist for future“, einer Bewegung die sich für ein politisches Handeln zur Überwindung der Klimakrise einsetzt. Sein Rat: „Es geht nicht nur darum, weniger Rindfleisch zu essen, um die Abholzung des Regenwalds für die Massentierhaltung zu verhindern. Wählt die Politiker, die tatsächlich in eurem Interesse handeln und nicht nur reden. Fragt Eltern und Großeltern, ob ihre Anlagen bei der Bank wirklich nachhaltig sind oder stecken sie in schmutzigen Energien? Dann sollten sie das ändern.“ Auf Dauer zeige das Wirkung. Sein Credo: „Niemand ist ohnmächtig, jeder kann etwas tun.“
Und was tut Gütersloh gegen den Klimawandel? Bürgermeister Norbert Morkes, Schirmherr der Veranstaltung und voll des Lobes für die engagierten Macher – „die Politik braucht euren Druck von unten“ -, erklärte, dass aktuell unter anderem der Fachbereich Umwelt das Klimakonzept überarbeite, dass mit den Stadtwerken Videos zum Energiesparen gedreht worden seien und dass man mit dem jüngsten Zukunftsprojekt „Klimaoase“, bei dem die Bürgerstiftung zu den Gründungsmitgliedern zählt, die Innenstadtbegrünung zur Temperatursenkung vorantreiben möchte. Sobald die Zuschuss-Zusage vom Land da sei, könne es losgehen. Nicht zu vergessen: Schülerprojekte wie die Begrünung von Klassenzimmern an der Gesamtschule 3, den Schulgarten an der JKG oder die Klima-AG an der Anne-Frank-Schule.
Unternehmer Dimitrios Tassikas, Hauptsponsor des Schüler-Klima-Gipfels, setzte mit der Vorstellung seines H2-Reviers in Avenwedde den markanten Schlusspunkt. Auf 32.000 Quadratmetern will er ab Januar 2023 das erste Co2 neutrale Wohnquartier in Deutschland schaffen, dessen Energieversorgung auf Wasserstoff basiert. 120 Wohneinheiten, eine Kita und ein Geschäftshaus sind geplant und sollen mit selbstproduzierter Energie, die aus Biogas, Photovoltaik-Anlagen und Mini-Windkrafträdern gewonnen und in Wasserstoff umgewandelt und gespeichert wird, versorgt werden. Fazit: Es gibt noch viel zu tun, aber es kann auch viel getan werden.
Bild: Spannend, informativ, kurzweilig, hervorragend moderiert und vor allem Mut machend: Der erste, von der Gesamtschule 3 initiierte und organisierte, von der Bürgerstiftung Gütersloh geförderte Schüler-Klima-Gipfel mit prominenten Gästen und Rednern war ein voller Erfolg.