Es gibt sie, die Ferien, die schlau machen. Gemeint ist der dreiwöchige „Deutschsommer“. Das von der Frankfurter Stiftung Polytechnische Gesellschaft initiierte Modellprojekt findet erstmals in Gütersloh statt. Bei dem abwechslungsreichen Programm, bestehend aus Unterricht, Leseeinheiten, Theaterspiel und Freizeitspaß, geht es nicht nur um Persönlichkeitsentwicklung, sondern vor allem darum, Drittklässlern mit erhöhtem Sprachförderbedarf bessere Deutschkenntnisse zu vermitteln. Denn beim bunten Miteinander lernen die Kinder sich und andere besser kennen, werden in ihren Fach-, Selbst- und Sozialkompetenzen gestärkt. Umso besser können sie dann nach dem „Deutschsommer“ in das entscheidende vierte Schuljahr starten.
„Das ist Lernen mit allen Sinnen. Dieser Dreiklang von Wortschatzübungen und Grammatik verbunden mit effizienter Theaterpädagogik sowie viel Spiel, Spaß und Bewegung in fröhlicher Runde, ist nachweislich die effektivste Methode, um Deutschkenntnisse nachhaltig zu vertiefen“, sind sich Dr. Oliver Vorndran, Projektmanager der Reinhard Mohn Stiftung, und Doris Pieper, Vorstandsmitglied der Bürgerstiftung sicher. Überzeugt von der Frankfurter Idee, brachte Dr. Vorndran sie nach Gütersloh und fand in der Sportjugend des Kreissportbunds den passenden Veranstalter für einen „Deutschsommer“ vor Ort. Stadt und Kreisschulamt fungieren als Kooperationspartner. Und da die Bürgerstiftung Gütersloh Maßnahmen des Kreissportbunds, die der Jugendhilfe zugutekommen, ohnehin unterstützt, hat sich die Sportjugend entschlossen, diese Mittel diesmal für das neue Projekt einzusetzen.
18 Kinder aus der Gütersloher Altstadt-, Heidewald- und Blücherschule, aus Blankenhagen und Pavenstädt sowie aus der Verler Bühlbuschschule machen auf Empfehlung ihrer Lehrer*innen bei diesem für sie kostenlosen Angebot mit. Sie haben eingangs einen kleinen Sprachtest absolviert, der am Ende des Projekts noch einmal wiederholt wird. „So stellen wir fest, wie sich die Kinder entwickelt haben, was sie durchs Lesen und Schreiben, beim freien Sprechen vor der Gruppe, beim Theaterspiel und auf unseren Nachmittagsausflügen sprachlich gelernt haben“, erklärt Lukas Meiertoberens als Verantwortlicher seitens des Kreissportbunds die Evaluation des Projekts.
In den ersten beiden Ferienwochen haben sich die Schüler morgens in der Altstadtschule getroffen und Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter“ kennengelernt. Lesen, lachen, verstehen und das Buch dann gemeinsam in ein Bühnenstück umsetzen – „das ist echt supercool“, bringt es der neunjährige Daniel voller Begeisterung auf den Punkt. Bei allen Aktivitäten, zu denen auch Waffeln backen, Sport und Bewegung in Mohns Park, Besuche der Stadtbibliothek, des Stadtmuseums und bei der Polizei gehören, werden die Kinder von drei Pädagogen begleitet. Die beiden Brüder Isak und Aho Cilgin studieren an der Bielefelder Universität. Der eine Deutsch als Zweitsprache auf Lehramt, der andere Sozialpädagogik und Erziehungswissenschaften. Die beiden sind erfahren in der Jugendarbeit, haben unter anderem Sprachcamps geleitet, geben teils Sprachförderung an der 3. Gesamtschule und sind sportlich engagiert. Und beide sind sich einig: „Dieses Projekt ist deutlich entwickelter als alles andere, was wir bislang gemacht haben.“
Dritte im Bunde ist die Theaterpädagogin Carin „Coco“ Schneiders, die die Kinder jetzt, beim Besuch der wissbegierigen Gruppe im Theater Gütersloh, gleich auf großer Bühne eine Kostprobe ihrer selbst entworfenen Räubergeschichte geben ließ. Was sich da plötzlich an Wilddruiden und Rumpelwichte tummelte, machte Appetit auf die Premiere. Die wird am Donnerstag, 14. Juli, 18 Uhr, vor den eingeladenen Eltern im Kloster Wiedenbrück stattfinden. Denn dort verbringen die Schüler - mit Übernachtung – die letzte Woche ihres Deutschsommers. Auch das ein Abenteuer. „Das Konzept ist mehr als erfolgversprechend“, sagt Lukas Meiertoberens. Weshalb der Kreissportbund es im nächsten Jahr auch ausweiten möchte.